Übergewicht reduzieren
Definitionen + Fakten (WHO, WOF, Prognose 2025[1]):
Body-Mass-Index (BMI) |
Aus Körpergewicht und Körperlänge abgeleiteter Indexwert. BMI = m/l2; m = Körpergewicht in [kg]; l = Körperlänge in [m] Beispiel: m = 80 kg, l = 1.81 m ergibt BMI = 24.4 [kg/m2] |
Übergewicht |
Ein erhöhtes Körpergewicht durch eine über das Normalmass hinausgehende Vermehrung des Körperfettanteils.[2] BMI > 25-30 Weltweit: 1.52 Mrd Erwachsene (Verdopplung ggü 1990) 310 Mio Kinder (Vervierfachung ggü 1990) |
Fettleibigkeit (Adipositas) |
Chronisch übergewichtiger Zustand. BMI > 30 Weltweit: 1.01 Mrd Erwachsene; 240 Mio Kinder Gesundheitskosten: 1'000 Mrd USD pro Jahr |
Ballaststoff oder (diätetische) Faser |
Für den menschlichen Organismus unverdauliche komplexe längerkettige Kohlenhydrate, welche unverändert in den Darm gelangen. Tägliche Verzehrmenge (EU, US): SOLL: 30 g; IST: 10 g |
Mikrobiom | J. Lederberg (The Scientist, 2001): "The ecological community of commensal, symbiotic, and pathogenic microorganisms that literally share our body space and have been all but ignored as determinants of health and disease." |
Vorbemerkung
Ballaststoffe können auf verschiedene Weise helfen, Übergewicht zu reduzieren. Die gewichtsreduzierende und weitere gesundheitsfördernde Wirkung entfaltet sich aus den physikalischen, biochemischen, mikrobiologischen und neurohormonellen Wechselwirkungen der Ballaststoffe mit dem Organismus. Diese beruhen auf vier wesentlichen Eigenschaften[3]:
(1) Gelbildung; (2) Fermentierbarkeit im Mikrobiom / präbiotische Eigenschaften; (3) Wasserhaltevermögen; (4) Hormonelle Effekte.
In den CH NUTRITION Produkten VIGUR und VETA sind die verwendeten Ballaststoffe nach diesen Eigenschaften hin ausgewählt worden.
1. Blutzuckerspiegel regulieren
Die mit der Nahrung aufgenommenen Zucker und andere verdauliche Kohlenhydrate[4] werden mehrheitlich im Dünndarm enzymatisch in Glucose aufgespalten. Ballaststoffe verdicken sich mit Flüssigkeiten zu einem Gel, was die Freisetzung der Glucose durch die Darmwand ins Blut verlangsamt und den Blutzuckerspiegel stabilisiert. Durch vorgängige Einnahme von Ballaststoffen werden starke Blutzuckerschwankungen verhindert, wie sie typischerweise nach kohlenhydratreicher Kost (beispielsweise Süssgetränke und -speisen, Brot, Pasta, Kartoffeln, Reis, Obst) auftreten; die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) muss weniger Insulin zur Stabilisierung des Blutzuckerspiegels ausschütten. Für Diabetiker ein Gewinn an Lebensqualität.
Fazit: Ballaststoffe wirken regulierend hin zu einem stabilen Blutzuckerspiegel. Ein stabiler Blutzuckerspiegel reduziert den Appetit, verhindert übermässiges Essen und führt mittel- bis langfristig zur Reduktion von Übergewicht.
2. Masse und Energiedichte der Nahrung reduzieren
Die Energiedichte einer Nahrung ist die Menge an Energie oder Kalorien pro Gewichtseinheit, also [kcal/g].[5] Wird die Energiedichte der zugeführten Nahrung reduziert, werden bei gleichem Füllgrad des Magens weniger Kalorien aufgenommen. Und liegt die Kalorienzufuhr unter dem Tagesbedarf (negative Energiebilanz), werden die körpereigenen Zucker-, Protein- und Fettreserven aufgebraucht, was in der Regel zu einer Gewichtsreduktion führt, aber nicht die Ursache ist. Gewicht wird reduziert, wenn die Masse [kg] an aufgenommener Nahrung weniger beträgt als die Masse [kg] aller Ausscheidungen (negative Massenbilanz).
Die Ballaststoffe haben die Eigenschaft, grössere Mengen Wasser zu binden und ein Gel zu bilden. Dieses Gel nimmt einen Teil des Magen-Darm-Traktes ein und führt zu einem Sättigungsgefühl ohne Zusatz weiterer Kalorien und ohne weitere Masse an Nahrung.
Fazit: Ballaststoffe binden Wasser.[6] Das Volumen dieses im Gel gebundenen Wassers reduziert die benötigte Masse an Nahrung zur Füllung des Magen-Darm-Traktes und verringert gleichzeitig die Energiedichte der eingenommenen Nahrung. Es ist klinisch erwiesen, dass die Reduktion der Massen- und Energiebilanz mittel- bis langfristig zu einer Gewichtsreduktion führt.[7]
3. Mikrobiom im Darm fördern
Ein Ballaststoff ist definiert als "Präbiotikum" [8], wenn der Ballaststoff (i) für Menschen unverdaulich ist, (ii) von Darmbakterien verstoffwechselt wird und (iii) selektiv das Wachstum von gesundheitsfördernden Darmbakterien fördert. In klinischen Studien wurde nachgewiesen, dass bestimmte Präbiotika das Wachstum von gesundheitsfördernden Milchsäure- und Bifidobakterien auf Kosten krankheitserregenden Bakteriengattungen wie Clostridia und Enterococci stimulieren, und so die Zusammensetzung des Mikrobioms positiv fördern. Die Milchsäure- und Bifidobakterien verstoffwechseln die zugeführten Ballaststoffe unter anderem in kurzkettige Fettsäuren (engl. short-chain-fatty-acids, SCFA[9]). Diese SCFA werden über die Darmwand ins Blut abgegeben, wo sie über verschiedene Mechanismen den Blutzuckerspiegel über die Regulation der Insulinausschüttung stabilisieren.
Fazit: Präbiotisch wirkende Ballaststoffe fördern im Mikrobiom das Wachstum von Milchsäure- und Bifidobakterien, welche die Ballaststoffe in kurzkettige Fettsäuren (SCFA) verstoffwechseln. Diese SCFA wirken unter anderem regulierend auf den Insulinausstoss und damit hin auf einen stabilen Blutzuckerspiegel.
4. Hormonelle Effekt
Ballaststoffe wirken über die SCFAs als Stoffwechselprodukte auf die Regulation der Darmhormone PYY und GLP-1.[10] Diese Hormone regulieren den Blutzuckerspiegel und stärken das Sättigungsgefühl durch entsprechende Signale an das Gehirn (Signalwege der Darm-Hirn-Achse[11]).
Fazit: Gewichtszunahme ist hormonell reguliert, und das Peptidhormon Insulin nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein. Insulin stabilisiert den Blutzuckerspiegel, indem es die überschüssige Glucose kurzfristig in Form von Glucagon in der Leber speichert, und wenn dieser Speicher voll ist, die Zellen anweist, die überschüssige Glucose in Fett umzuwandeln, um die Energie der Glucose im Körper langfristig zu speichern. Durch vermehrte Einnahme zucker- und kohlenhydratreicher Nahrung werden die Zellen mit der Zeit insulinresistent, die Bauchspeicheldrüse muss mehr Insulin ausschütten, um den Blutzuckerspiegel zu stabilisieren, und dieser Teufelskreis geht so weiter, bis der Blutzuckerspiegel oben bleibt (→ Diabetes). Je mehr Insulin ausgeschüttet wird, desto mehr werden die Zellen zu Fettbildung angewiesen und Übergewicht ist die Folge.
Die einfache Formel bestehend aus - Kalorien reduzieren und mehr Bewegung führt zur Gewichtsreduktion - greift also zu kurz, respektive stimmt nicht. Weniger Kalorienaufnahme führt zwar anfänglich zu einer Gewichtsreduktion, gleichzeitig wird aber der körpereigene Stoffwechsel um rund 30% heruntergefahren und das Gehirn erhält dauernd das Signal "Hunger". Nahrungsaufnahme führt dazu, dass das verlorene Gewicht wieder erreicht wird, worauf die Kalorienzufuhr noch weiter weiter gesenkt wird und der bekannte Jo-Jo-Effekt einsetzt. Ein zweckloses Unterfangen.
Die regelmässige Einnahme von Ballaststoffen vor Mahlzeiten hilft, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Ballaststoffe reduzieren die Abgabe von Glucose ins Blut, stabilisieren den Blutzuckerspiegel und verringern den Insulinausstoss. Und je weniger Insulin ausgeschüttet werden muss, respektive je stabiler und niedriger der Blutzuckerspiegel, desto weniger wandeln die Zellen Glucose in Fett um, und zusätzlich senden die Darmhormone dem Gehirn das Sättigungssignal. Weniger Hunger bedeutet, dass weniger Masse an Nahrung eingenommen werden muss. Das wiederum reduziert nochmals den Insulinausstoss und der Körper beginnt mit der Zeit, Fett statt Zucker zur Energieversorgung abzubauen. In Konsequenz wird mittel- bis langfristig Übergewicht reduziert. Regelmässige körperliche Bewegung verstärkt diesen Effekt.
Weiterführende Literatur:
[1] WHO, Obesity and Overweight, March 1, 2024.
World Obesity Atlas (March 2024), World Obesity Federation (WOF).
[3] James, S. L. et al. Dietary fibre: a roughage guide. Int Med J 33, 291–296 (2003).
[4] Der gewöhnliche Zucker, auch Haushaltszucker genannt, ist die Saccharose. Ein Disaccharid aus Glucose und Fructose. Ein typisches verdauliches Kohlenhydrat ist Stärke (ein Polysaccharid aus Glucose-Einheiten). Die Empfehlungen des Bundesamt für Lebensmittelsicherheit zu Kohlenhydraten finden sie hier.
[5] Die mittleren Energiedichten der Makronährstoffe sind: Fett 9kcal/g; Protein ≈ Kohlenhydrat 4kcal/g; demgegenüber Ballaststoffe 2kcal/g; auf der Schweizer Nährwertdatenbank kann die Energiedichte von typischen schweizerischen Nahrungsmittelprodukten ermittelt werden.
[6] Geschätzt binden 5g VIGUR oder VETA rund 1L Wasser
[7] Manninen, A. H. Chronic positive mass balance is the actual etiology of obesity: A living review. Global Transl Med 2, 222 (2023).
Meerman, R. & Brown, A. J. When somebody loses weight, where does the fat go? BMJ 349, g7257 (2014)
[9] Kurzkettige Fettsäuren (SCFA) sind Carbonsäuren mit weniger als sechs Kohlenstoffatomen(< C6); die wichtigsten Vertreter sind Essigsäure (C2), Propionsäure (C3) und Buttersäure (C4), welche im gesunden Mikrobiom durch Verstoffwechslung etwa im Verhältnis 60:20:20 gebildet werden.
Lange, O. et al. Short-Chain Fatty Acids—A Product of the Microbiome and Its Participation in Two-Way Communication on the Microbiome-Host Mammal Line. Curr Obes Rep 12, 108–126 (2023).
[10] GLP-1 (Glucagon-like peptide 1) ist ein Darmhormon, welches als Reaktion auf Glucose im Darm freigesetzt wird und die Produktion von Insulin verstärkt (Inkretin-Effekt). Zusätzlich unterdrückt GLP-1 das Hungergefühl, indem es die Entleerung des Mageninhaltes verzögert und die Orexin Ausschüttung fördert. Die Pharmaindustrie hat eine Reihe von GLP-1 Rezeptorantagonisten (GLP-RA, oder Inkritinmimetika) für die Behandlung von Diabetes Typ 2 entwickelt. GLP-RA führen zur Senkung des Blutzuckerspiegels und zur Gewichtsreduktion. Semaglutide (Handelsnamen Ozempic und Wegovy) ist der kommerziell erfolgreichste Wirkstoff dieser verschreibungspflichtigen Präparate. Die Kosten nur für das Medikament betragen in der Schweiz rund 300 CHF pro Monat.